Wildnisschule in Leipzig

Was macht eigentlich das Taubenschwänzchen übers Jahr?

Wenn im Juli die Tage immer heißer werden und das frische Laub der Bäume sich in ein dunkelgrünes Dach verwandelt hat, schlüpft aus graubeigen Puppen eine neue Generation Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum). Die gedrungen Falter pumpen zuerst ihre Flügel auf, bevor sie wie ein Kolibri davonschwirren. Während des Sommers sind in Mitteleuropa mehrere Generationen gleichzeitig zu sehen.

Ein Taubenschwänzchen

Ungewöhnliches Familienmitglied: Das Taubenschwänzchen zählt zu den Schwärmern, einer Gruppe von Nachtfaltern. Anders als seine Verwandten ist es für gewöhnlich tagaktiv, an besonders heißen Tagen allerdings nur in der Dämmerung unterwegs. Sogar Regen macht ihm nichts aus. (Foto: jggrz, pixabay)

Das Taubenschwänzchen ist ein Wanderfalter. Es kommt von Nordafrika bis Skandinavien vor und kann auf seinen Wanderungen binnen 14 Tagen bis zu 3.000 Kilometer zurücklegen. Da es nicht wie andere Schwärmer frostresistent ist, braucht es zum Überwintern milde Temperaturen. Noch bis vor etwa 20 Jahren überwinterten die Schmetterlinge ausschließlich südlich der Alpen im Mittelmeerraum. Durch den Klimawandel jedoch finden sie immer öfter auch nördlich der Alpen gute Überwinterungsplätze, sodass wir die Kolibrifalter schon ab März bei uns beobachten können.

Taubenschwänzchen seitlich

Namensgebender Hinterleib: Der Po erinnert an die schwarz-weiß gebänderten Schwanzfedern einer Ringeltaube. Er besteht aus verlängerten Schuppen, mit denen sich das Taubenschwänzchen beim Fliegen stabilisiert. (Foto: jggrz, pixabay)

Frisch geschlüpfte Taubenschwänzchen wissen zu Beginn ihres viermonatigen Falterlebens noch nicht genau, was ihnen schmeckt. Deshalb fliegen sie unzählige Blüten an, um nach Nektar zu suchen. Mit der Zeit bevorzugen sie dann langstielige Blütenkelche, die sie mit ihrem bis zu 3 Zentimeter langen Rüsseln ganz entspannt ausschlürfen können. Dabei bleiben sie im Schwirrflug vor der Blüte stehen. Da sie sich zum Trinken nicht hinsetzen, entkommen sie sogar gut getarnten Fressfeinden wie Krabbenspinnen, die auf den Blütenkelchen ahnungslosen Insekten auflauern.

Taubenschwänzchen

Immer in Bewegung: Das Taubenschwänzchen fliegt innerhalb von 5 Minuten bis zu 100 Blüten an. Es darf sich nicht hinsetzten, weil sonst die Flugmuskulatur auskühlt. Ein erneutes Aufwärmen würde zu viel Energie kosten. Die Falter merken sich nektarreiche Gebiete und kommen regelmäßig dorthin zurück. Auf Wanderungen probieren sie immer wieder neue Blüten aus. (Foto: pixabay)

Taubenschwänzchen erkunden regelmäßig nicht nur gute Futterplätze, sondern suchen auch gezielt nach warmen und trockenen Übernachtungsmöglichkeiten. Oft treffen sich an Felswänden oder Mauern gleich mehrere Taubenschwänzchen, um dort gemeinsam zu übernachten. Diese Plätze sind auch für die Paarung ein wichtiger Treffpunkt.

Taubenschwänzchen Ei an Labkraut

Spezialisiert: Die grünen Eier werden an Labkraut-Arten abgelegt. Labkraut wächst quirlständig und wurde früher zur Käseherstellung verwendet. (Foto: Jutta Bastian, Wikipedia)

Ein paarungsbereites Weibchen sondert über eine Drüse am Hinterleib einen Duftstoff (Pheromon) ab, um ein Männchen anzulocken. Haben sich zwei Taubenschwänzchen gefunden, tanzen sie zunächst miteinander, indem sie sich gegenseitig umschwirren. Dann setzten sie sich für ein bis zwei Sekunden Po an Po an ein sicheres Plätzchen. In diesem Moment übergibt das Männchen dem Weibchen seine Spermien. Direkt nach dem Paarungsritual stärkt sich das Weibchen und legt anschließend bis zu 200 Eier an verschiedenen Labkraut-Arten ab, immer ein Ei pro Pflanze. Dabei achtet es darauf, dass die Laubkräuter noch nicht aufgeblüht sind, damit sich ihr Ei als kleine Knospe tarnen kann.

Taubenschwänzchen Raupe

Bewaffnet: Typisch für Schwärmer tragen die Raupen ein Horn auf dem Hinterleib. Es ist dunkelblau mit gelber Spitze. Die Raupen sind grün bis braun mit weißen Pünktchen. Sie tragen zwei weiße Streifen auf dem Rücken und je einen gelben Streifen an der Seite. Ihre Bauchfüße tragen braune "Schuhe" mit schwarz-weiß geringelten "Söckchen". (Foto: A. M. Liosi, Wikipedia)

Nach etwa einer Woche schlüpfen aus den grünen Eiern gefräßige Raupen. Sie werden unter günstigen Bedingungen innerhalb von zwei Wochen bis zu 4,5 Zentimeter groß und sind dann bereit, sich zu verpuppen. Gegen Ende ihrer Raupenzeit verfärben sie sich grauviolett. Eine neue Generation Taubenschwänzchen steht in den Startlöchern.

Taubenschwänzchen Puppe

Alle Anlagen schon zu sehen: Der schwarze Streifen auf der Puppe wird später zum Rüssel, auch die Form der Flügel und des Hinterleibs sind schon zu erkennen. Die Puppe zieren schwarze Punkte an den Seiten. Drei Wochen dauert die Verwandlung. Dann schlüpft der fertig entwickelte Falter. (Foto: Jutta Bastian, Wikipedia)

Übrigens: Wer Taubenschwänzchen in seinen Garten oder an seinen Balkon locken möchte, pflanzt am besten Geranien, Lichtnelken, Natternkopf, Storchenschnabel oder Schmetterlingsflieder. Besonders attraktiv ist es für die Falter, wenn es zusätzlich wilde Ecken mit Laubkraut gibt. Denn dann wächst neben dem reich gedeckten Tisch gleich die Kinderstube. Und du kannst die Verwandlung von Ei zu Falter direkt miterleben.

Weiße Lichtnelke

Weiße Lichtnelke (Silene latifolia): Die Lichtnelke ist auf Nachtfalter spezialisiert. Sie öffnet ihre Blüten erst abends bzw. an regnerischen Tagen schon nachmittags. Sie wird auch Weiße Nachtnelke genannt. (Foto: Hans, pixabay)

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