Was macht eigentlich der Wanderfalke übers Jahr?
Gäste in Mitteleuropa
Wenn im Oktober die Winde kühler werden und die Bäume ihr gelb-rotes Blätterkleid tragen, bekommen die hiesigen Wanderfalken (Falco peregrinus) Besuch von ihren Verwandten aus dem hohen Norden. Denn zwischen Oktober und März ist es den schnellen Jägern in Skandinavien oft zu kalt und sie verbringen den Winter lieber in Mitteleuropa. Sie sind von allen Wanderfalken in Europa die einzigen, die tatsächlich wandern. Alle anderen sind Standvögel und ihrem Gebiet treu.

Gut getarnt: Der Wanderfalke trägt ein grau-weißes Federkleid, Bauch und Beine sind gebändert, der Rücken ist dunkelgrau. Die einzigen Farbtupfer sind die leuchtend gelben Beine, die umrandeten Augen und der Schnabelansatz. Mit dieser Farbgebung ist der Wanderfalke im felsigen Gebirge kaum zu entdecken. (Foto: Docujeju auf Pixabay)
Pfeilschnelle Jagdtechniken
Da über den Winter viele Wanderfalken bei uns in Mitteleuropa sind, lassen sie sich gut beobachten, zum Beispiel beim Jagen. Der Wanderfalke nutzt hauptsächlich zwei Attacken:
Für den Steilstoß fliegt er hoch hinauf und kreist umher. Hat er eine Beute entdeckt, legt er die Flügel an und saust im Sturzflug auf sie hinab. Dabei kann er eine Geschwindigkeit von bis zu 300 Kilometer pro Stunde erreichen! Nach der Kollision fliegt er einen Kreis, um abzubremsen und greift sich die Beute aus der Luft. Oft sterben die attackierten Vögel durch den Aufprall. Sind sie nur betäubt oder verletzt, erlegt sie der Falke durch einen gezielten Genickbiss.
Für den Flachstoß sitzt der Wanderfalke erst auf einem erhöhten Punkt, seinem sogenannten Ansitz, und hält nach Beute Ausschau. Hat er einen Leckerbissen entdeckt, schwingt er sich in die Lüfte und hält in Windeseile darauf zu. Dabei nähert er sich von hinten, sodass der attackierte Vogel ihn nicht sieht, und stößt ebenfalls mit ihm zusammen.

Schnellstes Tier der Welt: Der Wanderfalke jagt ausschließlich im Flug. Auf seiner Speisekarte stehen Tauben, Enten, Rebhühner, Stare und Drosseln, also Amseln, Singdrosseln oder Wacholderdrosseln. (Foto: judithwest auf Pixabay)
Obwohl der Wanderfalke so schnell fliegen kann, sind nur etwa 13 Prozent seiner Attacken erfolgreich. Denn durch die hohe Geschwindigkeit ist er weniger wendig. Er nutzt das Überraschungsmoment, um erfolgreich zu jagen. Bemerken ihn seine Opfer jedoch, lassen sie sich entweder in die Tiefe fallen oder beginnen, kleine Kreise zu fliegen. Der Falke kann seinen Kurs nicht schnell genug ändern und schießt einfach an seiner Beute vorbei.

Anpassungsfähig: Obwohl der Wanderfalke ursprünglich im Gebirge zu Hause ist, hat er sich mittlerweile auch Hochhäuser, Kirchtürme, Sendemasten und Brückenpfeiler als Nistplätze erobert. (Foto: Docujeju auf Pixabay)
Ein nackter Fels ist Nest genug
Im März beginnt die Paarungszeit und die Altvögel suchen sich ein geeignetes Nest. Im Gebirge brüten sie auf Felsvorsprüngen oder in Mulden an Steinbrüchen. Manchmal übernehmen sie auch verlassene Nester von anderen Greifvögeln oder Kolkraben, am liebsten in hohen, einzeln stehenden Kiefern.

Gesprenkelte Eier: Die Grundfarbe ist oft cremeweiß. Darüber liegen dichte bräunliche Sprenkel, mal mehr, mal weniger dunkel. Wanderfalken brüten nur ein Mal pro Jahr. (Foto: Klaus Rassinger und Gerhard Cammerer, Museum Wiesbaden, Wikipedia)
Zwei bis vier Eier legt das Weibchen auf den nackten Stein. Beide Eltern brüten abwechselnd etwa einen Monat lang. Sobald der Nachwuchs im April geschlüpft ist, schafft das Männchen Nahrung herbei, während das Weibchen die Kleinen einige Tage hudert, bis ihnen ein flauschiges, wärmendes Dunenkleid gewachsen ist. Nach zehn Tagen kommen die Jungvögel dann ohne die mütterliche Wärme aus und das Weibchen beteiligt sich an der Futtersuche.

Fütterung: Am Anfang zerlegt das Weibchen die Beute noch für die Jungvögel und füttert sie mit kleinen Stücken. Später bringt sie sie nur noch ans Nest, und der Nachwuchs teilt sie selbstständig unter sich auf. (Foto: Georges Lignier, Wikipedia)
Mit etwa 18 Tagen wachsen den Jungvögeln richtige Federn. Mit 21 Tagen beginnen sie, ihre Flugmuskulatur zu trainieren. Dafür schlagen sie mit den Flügeln, ohne tatsächlich abzuheben. Erst mit 35 bis 42 Tagen sind sie Mitte Juni flügge und verlassen den Nistplatz. Sie bleiben aber noch weitere zwei Monate bei ihren Eltern, um alles über das Leben als erwachsener Wanderfalke zu lernen. Sie können in der freien Natur bis zu 15 Jahre, in Gefangenschaft bis zu 20 Jahre alt werden.

Sächsische Schweiz: Ein guter Ort, um Wanderfalken zu beobachten, ist die Sächsische Schweiz bzw. das Elbsandsteingebirge. Die Weibchen sind leichter zu entdecken, denn sie sind deutlich größer und kräftiger als die Männchen. Sie bringen bis zu 1.300 Gramm auf die Waage – die Männchen dagegen nur zarte 600 Gramm. Der Wanderfalke ist die größte Falkenart in Deutschland. (Foto: erge auf Pixabay)
Fast verschwunden
Zu den natürlichen Feinden der Wanderfalken zählen Uhus, Habichte, Marder und auch Möwen, die gerne die Falkeneier vom Felsvorsprung klauen. Darüber hinaus waren sie in der Vergangenheit stark durch den Menschen bedroht:
Mitte des 20. Jahrhunderts war es in der Landwirtschaft üblich, das Pflanzenschutzmittel DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) zu verwenden. Das Gift tötete Insekten zuverlässig ab, doch mit verheerenden Folgen: Kleinere Vögel fraßen die verseuchten Insekten und standen dann selbst auf der Speisekarte anderer Tiere. So gelangte das DDT bis zu den Wanderfalken. Häufig starben diese an einer direkten Vergiftung. Wenn sie es überlebten, veränderte es die Beschaffenheit ihrer Eier aus. Das DDT machte die Schalen dünnwandig, sodass die Eier zerbrachen, noch bevor die Jungvögel ausgebrütet waren. Der Bestand der Wanderfalken nahm rapide ab, bis es deutschlandweit nur noch 70 Brutpaare gab!
Erst nach dem Verbot von DDT 1972 konnte sich die Art langsam wieder erholen. Unterstützt wurde sie dabei vor allem vom NABU. Der Naturschutzbund wilderte an angestammten Gebieten gezielt Wanderfalken aus und gestaltete neue Gebiete mit Ansitzwarten, die die Vögel für die Jagd nutzen konnten. Dank der unermüdlichen Arbeit des NABU leben heute wieder um die 1.400 Brutpaare in Deutschland. In Sachsen sind sie vor allem in der Sächsischen Schweiz zu beobachten.

1971 akut bedroht: Weil die Population damals stark zurückgegangen war, befürchtete der NABU, die Art könne aussterben. Um auf die große Not aufmerksam zu machen, ernannte er den Wanderfalken zum ersten "Vogel des Jahres". (Foto: TRinaud, Wikipedia)
Übrigens: Der Name "Wanderfalke" klingt, als würde es sich um einen Zugvogel halten. Die Bezeichnung ist jedoch vielmehr auf die Beobachtung zurückzuführen, dass vor allem junge Falken sehr ausdauernd umherwandern, um ihre Gebiete kennenzulernen und sich neue zu erschließen. Der lateinische Namenszusatz peregrinus bedeutet so viel wie umherschweifend oder aus der Fremde.
Häufige Fragen zum Wanderfalken
Wie erkenne ich einen Wanderfalken?
Im Flug erkennst du den Wanderfalken an seinem kurzen, gefächerten Schwanz. Durch die schwarzen Bänder an Bauch und Flügelunterseiten wirkt er gräulich. Der Kopf hat dagegen eine klare Zeichnung: Die Kehle ist weiß und die Wangen schwarz. Bei gutem Licht kannst du auch seine gelben Beine und Füße erkennen. Wanderfalken kreisen entweder hoch oben in der Luft oder befinden sich in einem rasanten Angriffsflug.
Im Sitzen erkennst du ihn an seinem dunkelgrauen Rücken und seinen ebenfalls dunklen Flügeloberseiten. Der Kopf wirkt schwarz, die Brust ist weiß und der Bauch ist schwarz-weiß gestreift. Mit etwa 40 bis 50 Zentimetern ist er der größte Vertreter der Falkenfamilie. Damit ist er etwa 10 Zentimeter größer als ein Turmfalke.
Du triffst den Wanderfalken mit hoher Wahrscheinlichkeit im Gebirge an, obwohl er mehr und mehr auch in der Stadt zu sehen ist.
Wie unterscheide ich Wanderfalken von Turmfalken?
Du kannst Wanderfalken und Turmfalken vor allem anhand ihres Jagdverhaltens, aber auch an ihren Lebensräumen und ihrer Farbgebung unterscheiden.
Wanderfalken erbeuten vor allem kleinere Vögel direkt aus der Luft. Dafür stürzen sie sich mit bis zu 300 Kilometern pro Stunde auf ihre Beute. Sie sind vor allem im Gebirge zu Hause. Ihr Gefieder ist gräulich.
Turmfalken dagegen jagen hauptsächlich Mäuse. Dafür fliegen sie über offenen Wiesen. Wenn sie auf Jagd sind, dann stehen sie wie ein Kolibri in der Luft. Das nennt man "rütteln". Hat ein Turmfalke eine Maus entdeckt, macht er einen Sturzflug auf die Erde. Dort setzt er meist auf und muss vom Boden aus neu starten – mit oder ohne Beute. Er ist vor allem in der Stadt zu Hause und hat ein rötliches Gefieder.
Ist der Wanderfalke das schnellste Tier der Welt?
Ja, der Wanderfalke ist das schnellste Tier auf der ganzen Welt. Er erreicht im Sturzflug eine Geschwindigkeit von bis zu 322 Kilometern pro Stunde.
Das schnellste Landtier ist übrigens der Leopard, der im Sprint 122 Kilometer pro Stunde erreicht.
Spielt der Wanderfalke in der Falknerei eine Rolle?
Ja, der Wanderfalke gehörte schon vor dem Mittelalter fest in den Bestand einer Falknerei. Er wurde und wird vor allem für die Beizjagd abgerichtet.
Nicht zuletzt waren es Falknerinnen und Falkner des Deutschen Falkenordens, die in den 1970-er Jahren dem NABU halfen, Wanderfalken erfolgreich auszuwildern.
Zum Weiterforschen:
- Hume, Rob: Vögel in Europa, München 2010
- Harrison, Colin und Castell, Peter: Jungvögel, Eier und Nester der Vögel Europas, Nordafrikas und des Mittleren Ostens, Wiebelsheim 2004
- Wanderfalke. Falco peregrinus, NABU Deutschland
- Falco peregrinus - Wanderfalke, Bundesamt für Naturschutz
- Der Wanderfalke – auf schnellen Schwingen durch die Lüfte, Sachsen.de
- Wanderfalke, Wikipedia
- Vogel des Jahres (Deutschland), Wikipedia
- Dichlordiphenyltrichlorethan, Wikipedia