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Wildnisschule in Leipzig

Was macht eigentlich die Streifenwanze übers Jahr?

Wenn im Hochsommer die trockenen Halme in den Wiesen knistern und alle Blumen in voller Blüte stehen, schälen sich die meisten Streifenwanzen (Graphosoma italicum) ein letztes Mal aus ihrer alten Haut und werden erwachsen.

Von nun an tragen sie ein schwarz-rot gemustertes Kleid, das sogar Marienkäfer vor Neid erblassen lässt: Auf der Körperoberseite sind sie von Kopf bis Po mit kräftigen Längsstreifen verziert, an den Seiten des Hinterleibs mit feschen Querstreifen – zur modischen Auflockerung. Doch damit nicht genug: Ihre Unterseite ist gepunktet! Beine, Fühler und Augen sind schwarz.

Streifenwanze

Robuster Körperbau: Die Streifenwanze hat einen kleinen, dreieckigen Kopf, ein breites, kräftiges Halsschild und ein ungewöhnlich langes Schildchen auf dem Rücken, das ihre Flügel verdeckt. Sie wird 8 bis 12 Millimeter groß. (Foto: artsehn, pixabay)

In ihrem neuen Outfit fliegen die Streifenwanzen los, um sich das Bäuchlein zu füllen. Mit ihrem Saugrüssel stechen sie am liebsten die Samen von Doldengewächsen an, um den Saft herauszuschlürfen. Wilde Möhre, Giersch und Engelwurz stehen ganz oben auf ihrem Speiseplan.

Streifenwanze in Doldenblüte

Schlaraffenland: Diese Wanze hat es sich in der geschlossenen Blüte einer Wilden Möhre (Daucus carota subsp. carota) gemütlich gemacht. (Foto: Vier Fährten)

Ansonsten passiert in diesem Jahr für die Streifenwanzen nichts Aufregendes mehr. Im späten Herbst, wenn es kalt und ungemütlich wird, ziehen sie sich in den Boden zurück. Sie kriechen unter gefallene Blätter und kuscheln sich in trockener Pflanzenstreu ein. Dort verbringen sie in den Winter.

Streifenwanze Kopf

Typisch Wanze: Vom Käfer unterscheidet sich die Streifenwanze durch ihre kugeligen Knopfaugen und ihren Saugrüssel. Streifenwanzen gehören übrigens zu den Baumwanzen. (Foto: Heiko Stein, pixabay)

Im Frühling locken die milden Temperaturen sie wieder hervor. Streifenwanzen lieben es ausgesprochen warm und trocken und sind deshalb gern auf offenen Wiesen, an Wegrändern und auf Brachflächen unterwegs. In Sachsen kamen sie bis in die 1950er-Jahre nur an besonders warmen Orten vor: im Elbtal, im Leipziger Raum und am Kapellenberg südlich von Bad Elster. Doch wegen des Klimawandels bevölkern sie mittlerweile flächendeckend das ganze Bundesland. Streifenwanzen kommen in ganz Europa vor, sogar das südliche Skandinavien haben sie bereits erobert.

Um im Frühling eine Partnerin bzw. einen Partner zu finden, machen die Streifenwanzen sogar Musik: Mit ihrem Bäuchlein erzeugen sie ein Brummen, dessen Schwingung sich in der Pflanze fortsetzt, auf der sie gerade sitzen. Spüren andere Streifenwanzen die Vibrationen, wissen sie, dass dort ein paarungsbereiter Artgenosse sitzt, und sind schnell zur Stelle. Ohne viel Aufhebens verbinden die beiden ihre Hinterleiber und das Männchen übergibt dem Weibchen seine Spermien.

Streifenwanze Paarung

Wildes Getümmel: Oft sitzen gleich mehrere Pärchen auf einer Blüte und paaren sich. (Foto: Michael Knoll, pixabay)

Nach der Paarung gehen alle wieder ihrer Wege. Das Weibchen legt kleine Eierhäufchen an den Futterpflanzen ab und bewacht seine Nachkommen aufmerksam. Das schicke Streifenmuster kommt der Mutter jetzt zugute. Denn ein kräftiges Muster bedeutet in der Natur immer: "Achtung, ich bin gefährlich oder ungenießbar!" Und tatsächlich meiden Insektenfresser die Streifenwanzen, sobald sie aus Übermut mal eine probiert haben. Denn genau wie die Grüne Stinkwanze (Palomena prasina) haben auch Streifenwanzen eine Stinkdrüse, aus der sie ein übelriechendes Sekret ausstoßen können. Das vertreibt einem jeden Appetit!

Streifenwanze Eier

Fröhliche Eier: Die kleinen, pelzigen Eier sitzen meistens auf den Unterseiten der Blätter – und grinsen breit! (Foto: Slimguy, Wikipedia)

Nach etwa einer Woche schlüpfen aus den Eiern millimetergroße Nymphen. Mit ihrer schwarz-weiß-braunen Färbung sind sie gut getarnt. Auch sie schlürfen an Doldenblüten, fressen aber auch Kleinstinsekten. Um zu wachsen, müssen sie sich mehrmals häuten. In jeder neuen Haut sehen sie ein wenig anders aus. Zwischen Juni und August werden alle Streifenwanzenkinder erwachsen.

Streifenwanze Nymphen

Verirrt: Hier hat eine Streifenwanzenmutti doch ihre Eier an eine meiner Grünlilien (Chlorophytum comosum) gelegt! Sie muss wohl in einem unbeobachteten Moment durchs Fenster hereingeflogen sein. Die kleinen Nymphen sind schon fast alle geschlüpft. (Foto: Vier Fährten)

Übrigens: Bis vor Kurzem ging die Wissenschaft noch davon aus, dass die Streifenwanzen im Mittelmeerraum die gleiche Art seien, wie die im mitteleuropäischen Raum. Durch eine Genanalyse stellte sich jedoch heraus, dass es zwei verschiedene sind! Die Art in Nordafrika und Sizilien behielt den ursprünglichen lateinischen Namen Graphosoma lineatum bei, unsere mitteleuropäische Art wurde umbenannt in Graphosoma italicum. Optisch unterscheidet sich die Mittelmeerart nur durch ihre roten Beine.

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