Seltsamer Waschbär
27. Mai 2025. Ich fahre durch den Clara-Zetkin-Park und bin kurz vor der Sachsenbrücke. Es ist Mittag, überall sind Leute unterwegs. Und mit ihnen ein Waschbär. Süß, denke ich und halte an. Der Kleine läuft mitten über den Waldweg, schleckt kurz in einer Pfütze, von oben schimpft eine Krähe. Ich halte an und beobachte ihn, denn wann sieht man einen Waschbären schon mal aus solcher Nähe! Doch irgendetwas stimmt nicht.

Cool, ein Waschbär: In dem Moment freue ich mich noch, einen Waschbären mal so nah zu sehen. (Foto: Vier Fährten)
Je länger ich in anschaue, umso klarer wird: Dem gehts nicht gut. Er wirkt orientierungslos, ist wackelig auf den Beinen. Dann setzt er sich hin. Neben die Pfütze, mitten auf den Weg. Er rollt sich zusammen und will ausruhen. Ein Jogger läuft direkt an ihm vorbei, eine junge Mutter schiebt ihren Kinderwagen vorüber. Er reagiert nicht. Ich gehe näher ran und sehe, dass seine Augen seltsam verklebt sind. Hat er überhaupt noch welche?, frage ich mich. Seine Schwanzspitze ist dünn und schlammig, die Fliegen sitzen auf ihm als sei er ein frisches Häufchen.

Seltsam: Nachdem er kurz getrunken hat und zur Wiese gelaufen ist, kam er zurück und setzte sich neben die Pfütze. Ich werde misstrauisch. (Foto: Vier Fährten)
Nach einigem Überlegen und dem Tipp einer Passantin rufe ich beim Stadtforst an und melde das Tier. Die Frau am anderen Ende bedankt sich, sie schickt jemanden hin. Wahrscheinlich hat das Tier Staupe.
Das Canine Staupevirus – CDV Canine Distemper Virus
Staupe ist eine hochansteckende Viruserkrankung. Übertragen wird sie beim Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder durch den Verzehr von infiziertem Aas.
Vom Caninen Staupevirus sind vor allem die Hundeartigen betroffen, also Haushunde, Füchse und Wölfe. Aber auch Waschbären und Marder können sich damit infizieren. Für Menschen ist das Virus ungefährlich.
Zu den Symptomen zählen am Anfang hohes Fieber bis 41 Grad, Apathie und Appetitlosigkeit. Je nach Immunsystem des betroffenen Tieres schreitet die Erkrankung unterschiedlich fort. Oft wird der Verdauungstrakt angegriffen, Erbrechen und Durchfall sind die Folge. Später befällt das Virus die Schleimhäute, das Tier niest, hustet, hat Atemnot und tropft aus der Nase. Auch Bindehautentzündungen kommen vor. Im späteren Stadium können auch die Augen betroffen sein, so wie bei meinem Waschbären. Gegen Ende befällt das Virus Gehirn und Nerven und erkrankte Tiere bekommen epileptische Anfälle.

Keine Augen zu sehen: Mir fällt auf, dass er gar nicht sehen kann, wo er sich befindet. Wo sind die Augen? Sie scheinen verklebt zu sein. Ein tyisches Merkmal von Staupe, wenn es die Netzhaut befällt und die Augen einfallen. (Foto: Vier Fährten)
An Staupe erkrankte Tiere überleben die Infektion in der Regel nicht. Sie sterben an den Folgen, wenn sie nichts mehr sehen, keine Orientierung mehr haben, kein Futter mehr finden. Es ist ein langer, qualvoller Tod. In Städten können sie zudem Unfälle verursachen, wenn sie zum Beispiel aus Versehen auf eine Straße laufen.
Was tun, wenn du ein krankes Wildtier findest?
Ein gesundes Wildtier bewegt sich immer zielgerichtet. Es hat etwas zu tun. Das siehst du ihm auch an. Oft kommt es uns dabei sogar recht nahe. Doch sobald du dich ihm zuwendest, es ansprichst oder ihm ein paar Schritte folgst, wird es sich zurückziehen. Das ist ein normales Verhalten.
Wenn du ein Tier findest, dass nicht mehr scheu ist, dann stimmt mit ihm etwas nicht. Halte in jedem Fall Abstand, denn kranke oder verletzte Tiere fühlen sich schnell in die Enge getrieben und können angreifen, wenn sie sich bedroht fühlen.

Alarmierend: Ein Wildtier würde sich niemals so schutzlos zum Schlafen hinlegen. Ich entscheide, Hilfe zu holen. (Foto: Vier Fährten)
Geh bitte nicht einfach vorbei, sondern melde das Tier bei der Stadt. Du hast verschiedene Möglichkeiten:
- Stadtforst Leipzig: 0341 123-5790 oder stadtforsten@leipzig.de
- Polizeidirektion Leipzig: 0341 966-0
- Feuerwehr Leipzig: 0341 115 oder feuerwehr@leipzig.de
- Wildvogelhilfe Nabu: Notfalltelefon 0341 – 927 62 027 oder vogelschutz@NABU-Leipzig.de
Am besten gibst du deinen GPS-Standort durch, damit das Tier auch wirklich gefunden wird, wenn du nicht länger warten willst.
In meinem Fall wurde der Waschbär am gleichen Tag von seinem Leid erlöst. Selbst wenn er die Krankheit überstanden hätte, wäre er in der freien Natur nicht mehr lebensfähig gewesen und noch dazu ansteckend geblieben.
Die Wildvogelhilfe pflegt verletzte Vögel auch gesund, wenn der Schaden nicht irreparabel ist.

Knopfaugen: So sieht ein gesunder Waschbär aus! Pummelig, frech und aufmerksam. (Foto: Manuel-H, pixabay)
Was du auf keinen Fall tun solltest
Findest du ein Tier, das vermutlich an Staupe erkrankt ist, fasse es auf keinen Fall an und bringe es auch nicht zu einem Tierarzt (selbst, wenn du bereit bist, die Kosten zu übernehmen). Denn dabei kann es passieren, dass du das Virus verschleppst und Tiere im Wartezimmer ansteckst.
Solltest du ein krankes Tier doch berührt haben, wasche dir gründlich die Hände und nutzte ein Virendesinfektionsmittel. Staupeviren überdauern ohne Organismus mehrere Tage.
Staupe vorbeugen
Wenn du einen Hund hast, dann lass ihn gegen Staupe impfen. Damit hilfst du nicht nur deinem eigenen Vierbeiner, sondern schützt auch die anderen.
Wenn du eine Katze mit Freigang hast, lass auch sie impfen. Neben dem Caninen Staupevirus gibt es noch das Feline Panleukopenie-Virus, auch Katzenstaupe oder Katzenseuche genannt.

Schütz deinen Hund: Lass ihn impfen und halte ihn im Wald an der Leine. Dann kann er sich nicht anstecken und schreckt keine Wildtiere auf. (Foto: StockSnap, pixabay)
Zum Weiterlesen:
- Staupe – eine tödliche Gefahr für Wildtiere, Wildtierrettung.de
- Charakteristische Symptome staupeerkrankter Waschbären, Projekt Waschbär, Waschbärenforschung im Müritz-Nationalpark
- Staupe - nach wie vor aktuell, Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
- Staupe, Wikipedia
- Staupe-Impfung für Katzen (Zeitplan, Kosten und Nebenwirkungen), Cats.com
- Wildvogel in Not – was tun? Schnelle Hilfe, Tipps und Infos, NABU Deutschland
- Wildvogelhilfe Leipzig, NABU Leipzig