
Was macht eigentlich die Gemeine Baldachinspinne im Herbst?
Wenn sich der Sommer dem Ende neigt, lauert die Gemeine Baldachinspinne (Linyphia triangularis) noch immer geduldig in ihrem namensgebenden Netz. Genauer gesagt hängt sie darin, mit dem Bauch nach oben. Da ihr Körper etwas zu schwer für ihre dünnen Beinchen ist und sie am Boden nur langsam vorankommt, verlässt sie ihr Netz nur selten. Denn außerhalb ihres klebrigen Reiches kann sie schnell zur Beute von Vögeln und Reptilien werden.

Typische Netze: Baldachinspinnen leben gerne in Gesellschaft. Die Netze können bis zu 20 Zentimeter hoch werden. (Foto: Christine Hall auf Pixabay)
Das Netz der Baldachinspinne besteht aus mehreren Schichten. Sie selbst hängt meist ganz unten in einem dichten Teppich und wartet darauf, dass sich ein Insekt in den lockeren Stolperfäden über ihr verfängt. Spürt sie eine Vibration, ist sie flink zur Stelle.

Weibchen: Der Hinterleib ist braun mit zwei weiß-gezackten Längsstreifen. Der Vorderkörper ist beige mit drei dünnen dunkelbraunen Streifen und trägt vorn die schwarzen Augen. Deutlich zu erkennen sind auch die kräftigen, rötlich gefärbten Kieferklauen und daneben die zarteren Taster. Mit ihren Farben ist die Große Baldachinspinne bestens getarnt. (Foto: Peter O'Connor aka anemoneprojectors, Wikipedia)
Die Gemeine Baldachinspinne erlegt ihre Beute mit einem Giftbiss. Danach wird das Insekt locker eingesponnen und etwas später genüsslich ausgesaugt. Erst nach der Mahlzeit repariert sie ihr Netz.
Vor allem im September locken die Weibchen mit einem Duftstoff (Pheromon) die Männchen an. Die etwas schmaleren Herren sitzen dann mit spermagefüllten Tastern als geduldete Gäste in den Netzen der Weibchen und warten auf den richtigen Augenblick. Zeigt sich ein Weibchen bereit, krabbelt das Männchen bäuchlings unter seine Gattin. Dort führt es abwechselnd seine Taster in die weibliche Geschlechtsöffnung ein. Danach klettert es zurück und baut im Netz des Weibchens ein etwa ein Zentimeter großes Spermanetz, mit dessen Inhalt es seine Taster neu befüllt. Anschließend wiederholt sich die Prozedur. Nach der Paarung bewacht das Männchen sein Weibchen noch für ein paar Stunden und vertreibt eventuelle Konkurrenten. So stellt es sicher, dass nur seine eigenen Gene weitergeben werden.
Das Weibchen legt später einen Eierkokon an, den es in der Nähe seines Netzes versteckt. Daraus schlüpfen im nächsten Frühling winzige Jungspinnen. Sie müssen sich viele Male häuten, um zu wachsen. Ab August sind sie geschlechtsreif und bereit, sich zu vermehren.

Männchen: Insgesamt weniger kontrastreich gefärbt als das Weibchen und rötlicher im Farbton. Über den auseinandergespreizten Kieferklauen befinden sich die für die Paarung so wichtigen Taster mit einem kugelförmigen Ende. Männchen und Weibchen sind etwa gleich groß, was für Spinnen untypisch ist. Häufig sind die Weibchen größer und massiger. (Foto: Rolf Dietrich Brecher, Wikipedia)
Am wohlsten fühlt sich die Gemeine Baldachinspinne in nicht zu feuchten Wäldern und in hochgewachsenen Wiesen mit Büschen und Sträuchern. Sie ist sehr genügsam, weshalb sie häufig anzutreffen ist. Die Familie der Baldachinspinnen zählt in Europa über 400 Arten. Die Gemeine Baldachinspinne ist mit ihren 5 bis 7 Millimetern eine der größten. 2014 war sie sogar Europäische Spinne des Jahres.

Typischer Anblick: Am häufigsten entdeckt man Baldachinspinnen mit dem Bauch nach oben in ihrem Netz. Mit der schwarz-bräunlichen Unterseite ist sie vor dunklen Hintergründen perfekt getarnt. (Foto: Romzig, Wikipedia)
Übrigens: Die jungen Baldachinspinnen kleinerer Arten lassen sich gerne an ihren Fäden in neue Gebiete tragen. Dabei schweben sie zum Teil viele Kilometer weit und durchaus auch mehrere Meter hoch. Besonders zwischen Mitte September und Anfang Oktober, wenn es noch mal ein paar warme Tage gibt, ist dieses Phänomen zu beobachten. Nach diesem Spinnenflug ist der "Altweibersommer" benannt. Eine mögliche Herleitung des Namens ist, dass die langen, silbrigen Spinnfäden an das graue Haar alter Frauen erinnern. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es sich vom altdeutschen Wort "weiben" für "weben" ableitet. Früher teilte man das Jahr nur in Sommer und Winter ein. Der Frühling war der "Junge Sommer", der Herbst der "Alte Sommer". Demnach bezeichnet "Altweibersommer" den alt gewordenen Sommer, in dem die Spinnen noch einmal kräftig weben, bevor der Winter beginnt.
Zum Weiterforschen:
- Bellmann, Heiko: Der KOSMOS Spinnenführer, Stuttgart 2016
- Spinne des Jahres 2014. Die Gemeine Baldachinspinne Linyphia triangularis (Clerck 1757), Arachnologische Gesellschaft
- 2014: Die Gemeine Baldachinspinne (Linyphia triangularis), Naturschutzbund Österreich
- Gemeine Baldachinspinne, Wikipedia
- Baldachinspinnen: Besonders große Spinnenart, t-online
- Chelicere, Wikipedia (Kieferklaue)
- Pedipalpus, Wikipedia (Taster)
- Späte Sommerwärme und segelnde Spinnen: Der Altweibersommer, Deutscher Wetterdienst
- Altweibersommer, Wikipedia
- Spinnenflug, Wikipedia