Was macht eigentlich das Wintergoldhähnchen im Herbst?
Kleiner Vogel, großer Hunger
In der kalten Jahreszeit knurrt dem winzigen Wintergoldhähnchen (Regulus regulus) ständig der Magen. Deshalb ist es nahezu den ganzen Tag lang damit beschäftigt, von Zweig zu Zweig zu fliegen und mit seinem spitzen Schnabel nach kleinsten Insekten, deren Eiern und nach Spinnentieren zu picken. Besonders gern mag es Springschwänze, winzige Sechsfüßer (aber keine Insekten), die von abgestorbenen Pflanzenresten leben und den Boden mit Humus anreichern.

Gelbe Krone: Der lateinische Name Regulus regulus bedeutet Kleiner König oder Prinz. Er bezieht sich auf die kleine, gelbe Krone des Wintergoldhähnchens, die von zwei schwarzen Streifen eingerahmt wird. Bei den Weibchen ist sie eher strahlend gelb, bei den Männchen eher orange gefärbt. Bei den Jungvögeln entwickelt sich der Kopfschmuck erst im Laufe der Zeit. (Foto: Kev auf Pixabay)
Gäste aus dem hohen Norden
Im späten Herbst bekommen die mitteleuropäischen Wintergoldhähnchen Besuch aus Skandinavien. Ihren Verwandten ist es im hohen Norden einfach zu kalt und sie verbringen den Winter lieber bei uns. Da nur die nördlichen Populationen richtig wandern, zählt das Wintergoldhähnchen zu den Teilstreckenziehern unter den Zugvögeln.
Wichtiger Zwischenhalt auf der Reise über die Nordsee ist Helgoland. Hier sammeln sich zum Herbstende unzählige Wintergoldhähnchen, die dann erschöpft in Büschen und Bäumen hocken und neue Kraft sammeln. Auf dem Festland wandern sie im Schleichzug weiter: Sie flattern von Busch zu Busch. Das dauert zwar wesentlich länger, aber dafür kommen sie sicher ans Ziel.

Kleinster Vogel Europas: Das Wintergoldhähnchen wird gerade mal 8,5 bis 9,5 Zentimeter groß und wiegt nur 4 bis 8 Gramm. Damit ist es noch winziger als der Zaunkönig! Aufgrund seiner geringen Körpergröße ist es im Winter vor allem von Kälte und Hunger bedroht. Besonders die erschöpften Gäste aus Skandinavien sterben häufig. (Foto: petrabay auf Pixabay)
Menschen? Welche Menschen?
Besonders wenn die Bäume ihre Blätter verlieren und schließlich kahl dastehen, lässt sich das Wintergoldhähnchen gut beobachten. Oft hüpft es bei der Futtersuche bis auf wenige Meter an uns heran, ohne sich auch nur im geringsten von unserer Anwesenheit einschüchtern zu lassen. Zutraulich ist es deswegen nicht. Es ist eher so, dass wir dem Winzling gleichgültig sind. Er ignoriert uns.

Kleiner Trupp: Im Winter sind die Goldhähnchen gern gemeinsam auf Futtersuche. Dabei piepsen sie sich permanent zu, um einander ihrer Anwesenheit zu versichern. (Foto: Erik Karits auf Pixabay)
Familiengründung
Am liebsten mag das Wintergoldhähnchen Nadelbäume, besonders Fichten. Aber auch in Tannen und Eiben fühlt es sich wohl. In Leipzig findet es seine Lieblingsbäume vor allem in Innenhöfen, Gärten und Parks, nicht im Auwald selbst, da dort kaum Nadelbäume wachsen.
In diese stacheligen Bäume baut das Wintergoldhähnchen im Frühling ein beeindruckendes Quartier: Das Männchen beginnt, an einem Zweig ein freihängendes Nest aus Flechten, Moos, Gespinsten und Haaren zu weben. Irgendwann übernimmt das Weibchen. Es zupft alles zurecht, verdichtet die Wände und polstert innen alles mit Federn aus. Die kleinen Nester sind am Ende kugelig, hervorragend getarnt, kuschelig warm und vor allem dehnbar! Denn das Weibchen legt ab April bis zu 12 Eier in dieses Nest. Da kann es schon recht eng werden!

Kleiner Vogel, winzige Eier: Die Eier des Wintergoldhähnchens messen etwas mehr als einen Zentimeter. Sie sind weiß bis beige gefärbt mit sanften Sprenkeln, ansonsten glatt und glanzlos. (Foto: Klaus Rassinger und Gerhard Cammerer auf Wikipedia)
Etwa zwei Wochen brütet das Weibchen, bis die ersten Jungvögel schlüpfen. Sie benötigen eine Woche, bis sie die Augen öffnen. Nach 18 bis 22 Tagen fliegen sie schon aus, werden aber danach noch etwa zwei Wochen von ihren Eltern gefüttert, bis sie vollkommen selbstständig sind. Mit etwas Glück können die Kleinen bis zu 4 Jahre alt werden.

April bis August: In dieser Zeit brüten Wintergoldhähnchen oft zweimal. Ein Paar schließt sich für eine Saisonehe zusammen. Hier ein Männchen, das aufgeregt seine Krone aufstellt. (Foto: Ken Billington auf Wikipedia)
Übrigens: Obwohl das Wintergoldhähnchen nicht gefährdet ist, freut es sich, wenn es im Futterhäuschen etwas Passendes für seinen hungrigen Schnabel findet: Fettfutter, Weichfutter, getrocknete Insekten und sogar Fleisch. Obendrein hat sich gezeigt, dass Zufüttern auch zur Brutzeit im Sommer hilfreich ist. Denn durch den drastischen Insektenschwund finden Vogeleltern oft nicht genügend Nahrung, um den Nachwuchs durchzubringen. Wer sein Futterhäuschen für Wintergoldhähnchen attraktiv gestalten möchte, kann Fichtenzweige herumbinden und es an einer versteckten Stelle aufbauen.

Ständig in Bewegung: Weil der Winzling ständig umherhüpft, wirkt er oft rastlos. Manchmal rüttelt er sogar im Flug und bleibt an einer Stelle stehen, ähnlich wie ein Kolibri. (Foto: Erik Karits auf Pixabay)
Häufige Fragen zum Wintergoldhähnchen
Sind Wintergoldhähnchen selten?
Nein, Wintergoldhähnchen kommen häufig vor. Ihr Bestand gilt als gesichert. In den Wintermonaten gibt es in Mitteleuropa sogar noch mehr Wintergoldhähnchen, weil die Populationen aus Skandinavien bei uns zu Gast sind.
Allerdings sind Wintergoldhähnchen sehr klein und verstecken sich im Sommer gut, weswegen es schwierig ist, sie zu entdecken und zu beobachten.
Wo lebt das Wintergoldhähnchen?
Wintergoldhähnchen lieben Fichten und andere Nadelbäume, da sie dort ausreichend Nahrung und Schutz finden. Darum leben sie gern in Nadelwäldern, Mischwäldern, aber auch in Parks und Gärten, wo Nadelbäume gepflanzt werden.
Wintergoldhähnchen sind fast in ganz Europa und in Teilen Asiens verbreitet.
Was ist der Unterschied zwischen Sommergoldhähnchen und Wintergoldhähnchen?
Die beiden Goldhähnchen sind zwei verschiedene Arten, gehören jedoch zur gleichen Familie.
Der Namenszusatz "Sommer" und "Winter" bezieht sich darauf, wann du sie beobachten kannst: Sommergoldhähnchen halten sich von März bis November in Mitteleuropa auf. Den Winter verbringen sie im warmen Süden. Wintergoldhähnchen sind dagegen das ganze Jahr über bei uns in Deutschland und Mitteleuropa zu sehen.
Äußerlich unterscheiden sie sich ebenfalls. Das Sommergoldhähnchen hat eine kontrastreichere Kopfzeichnung. Es trägt einen schwarzen Augenstreif, darüber einen weißen Streifen, dann wieder einen schwarzen Streifen und ganz oben ein dunkelgelbes Fleckchen. Es wirkt ein bisschen wie ein buntes Zebra. Das Wintergoldhähnchen hat dagegen nur einen gelben Fleck auf dem Kopf, der von einem schwarzen Streifen eingerahmt ist.
Was frisst ein Wintergoldhähnchen?
Wintergoldhähnchen picken an Zweigen nach winzigen Insekten, Spinnentieren und deren Eiern. Sie haben eine besondere Vorliebe für Springschwänze.
Springschwänze sind millimetergroße Sechsfüßer von denen es viele verschiedene Arten gibt. Neben denen, die in Bäumen leben, tummeln sich die meisten Arten im Boden und zersetzen abgestorbene Pflanzenteile zu Humus. Obwohl Springschwänze sechs Beine haben, zählen sie nicht zu den Insekten, sondern zu den Sackkieflern.
Zum Weiterlesen:
- Hume, Rob: Vögel in Europa, München 2010
- Castell, Peter und Harrison, Colin: Jungvögel, Eier und Nester der Vögel Europas, Nordafrikas und des Mittleren Ostens, Wiebelsheim 2004
- Wintergoldhähnchen. Regulus regulus, NABU
- Wintergoldhähnchen. Regulus regulus, LBV Landesverband Vogelschutz Bayern
- Wintergoldhähnchen: Europas kleinster Singvogel im Steckbrief, Plantura Magazin
- Stimmen des Wintergoldhähnchens, xeno-canto
- Wintergoldhähnchen, Nahaufnahmen bei Futtersuche, YouTube
- Berthold, Peter und Mohr, Gabriele: Vögel füttern – aber richtig, Stuttgart 2017